„Der Mensch ist schlecht. Aber auch das ist nur in Teilen richtig. Wichtig ist doch, den Glauben und das Vertrauen in das Gute nicht zu verlieren.“ Dies sind meine Gedanken, als ich Richtung Limobar marschiere, um Suza zu treffen. Ich passiere ein junges Paar, ein Kind im Kinderwagen schiebend, was sich gerade über Nachtische unterhält. “ … Ja, aber die Crème brûlée ist ja spanisch …“, widerspricht die Frau ihrem Mann und der nickt zustimmend. Ich verdrehe die Augen genervt. Dumm sind die Menschen. Trump, AfD, die Oberguru-Wahl in Österreich und Brexit, in den sozialen Netzwerken wird gehasst, als ob es kein Morgen gäbe, weil es so leicht ist, wenn man dem Opfer nicht ins Gesicht dabei gucken muss und kein Mensch kann mehr richtig schreiben, was nicht verwundert, weil man es doch auch nirgendwo mehr richtig lesen kann. So schleicht sich eine Unsicherheit ein, die übermalt, was einst korrekt im Hirn gespeichert. Und genau das gilt für so viel mehr als nur die Rechtschreibung. Dummheit. Unsicherheit. – Ich sage es mit jedem Schritt. Rechter Fuß nach vorne: Dummheit – linker Fuß nach vorne: Unsicherheit. Schritt für Schritt in eine neue Welt. Unzufriedenheit schafft Veränderung:
Manche Frauen wollen wie Männer sein, damit sie sichtbar sind, manche Männer suchen Halt in den falschen Gruppierungen, fallen über Frauen her oder sprengen sich in die Luft. Und nichts darf man mehr sagen. Wehe man vertritt die Meinung, dass ein Syrer, der einem anderen auf die Nase haut, besser das Land stante pede wieder verlassen sollte. Das ist doch ein Flüchtling! Auch Flüchtlinge können Arschlöcher und Verbrecher sein. Alle unter Dauerbeobachtung, in ständiger Gefahr, ein Land mit ungewisser Zukunft. Das alles schürt Angst und Ängste. Und dann sterben auch noch die ganzen Idole innerhalb kürzester Zeit und der Mob glaubt an Verschwörung statt an den Lauf der Dinge der ersten, in den 60ern gemachten, Stargeneration.
Das Kind von gerade wird auf jeden Fall lernen, dass Crème brûlée spanisch ist. Und das ist sicher nur das kleinste Übel. Sind doch die Kinder verdorben durch mediale Reizüberflutung, leistungsorientierten Stress, verlorene Kindheiten und das Hin und Her zwischen überforderten Eltern. Das Verständnis von Beziehung geht genau so weit, dass man den oder die eine/n zur wahren, einzigen Liebe erklären kann, soweit man ausblendet, dass man die anderen Menschen alle noch gar nicht kennen gelernt hat. Verantwortung. Kommitment.
Die Zukunft war schon immer ungewiss, die Kriege sehr nah, die politische Lage oft unstet und die nächste Generation immer unnütze … der Beweis: die Vergangenheit. … Und zwar nicht die mit Hitler. Das ist nämlich nicht die einzige Vergangenheit, die wir haben.
Das Schlimmste ist die Angst, das Schlimmste im Schlimmen, dass sich die Menschen hineinreißen lassen in diese Angst, statt Vertrauen in das Gute zu haben und ihr Übriges dazu beizutragen.
Ach ja, und das Wetter ist schlecht und die Fußball-EM langweilig. Vermutlich wird das Wetter nie wieder schön, wegen der Klimaerwärmung und der Höhepunkt des Finales eine terroristische Sprengung in Spielfeldmitte. …
In diesem Moment bekomme ich einen Ball ins Gesicht geschossen. Geladen wie ich bin, will ich auf die zehnjährige Ballkünstlerin losgehen und ihr ordentlich die Leviten lesen, als sie mir zuvor kommt und sich aufrichtig und herzlich entschuldigt. Ich lächle und nicke verlegen. Ich fühle mich schlecht und entfalte umgehend meine Denkfalte auf der Stirn:
Was mache ich mir Sorgen?! Ich will vertrauen. Darauf, dass das Gute und Schlaue gewinnt und dass ich ein Teil davon sein darf. Sind die Menschen doof zu mir, werde ich sie anlächeln und freundlich bleiben, denn mir geht es gut. Verdammt gut. Ich werde mir erlauben, trotz allem glücklich und sicher zu sein, dass es sich lohnt, Kinder zu produzieren, um ihnen diese wundervolle Erde zeigen zu dürfen! … Oder zumindest einen Hund anzuschaffen, dem ich diese, meine, wunderbare Welt präsentieren kann! …
Voller Erleichterung und irgendwie für den Moment unfassbar gelassen und mich leicht fühlend, schmeiße ich mich in einen Liegestuhl, der vor dem Fernseher draußen im Biergarten der Limobar steht. Suza, die neben mir schon liegend sitzt, grinst und sagt: „Hast du dir wieder zu viele Sorgen gemacht? Du solltest Querstreifen tragen, so dünn wie du geworden bist!“
Ich erwidere: „Und du Längsstreifen. Damit kannst du mich dann mal kreuzweise!“ Ich falle Suza in den Arm und freue mich in der Nähe meines Lieblingsmenschen zu sein. Hubert scheint neidisch und statt eines Doppelten kriegen wir eine Doppelumarmung. Dabei kracht mein Liegestuhl zusammen und wir rollen lachend auf dem Boden rum. Hach, was haben wir Probleme …