Es ist der erste wirklich schöne Tag des Jahres und wir sitzen im kleinen, aber feinen Biergarten der Limobar. Die Sonne strahlt uns auf die Nase, Mone öffnet ihr Dekolleté ein wenig, um über jeden nur möglichen Zentimeter ihrer Haut die so lang vermisste Wärme spüren zu können.
Hubert hat den Sommer schon eingeläutet, indem er die Getränke nun mit Schirmchen präsentiert. Auch das Bier. Der Winter war einfach zu trübe und zu lang.
Ich schließe die Augen und habe umgehend eine Frage. An mich selbst. Aber zunächst an Mone.
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Vorbei
Ich sitze an einem Tisch in der Limobar. Ich habe einen Platz gewählt, von dem aus ich die Theke und Hubert sehen kann und die Tür. Ab und an kommen neue Gäste herein und schütteln sich den Regen von den Jacken. Ich bin alleine. Mone ist nicht da. Ich fühle mich unendlich allein. Einsam. Meine Seele ist so wolkenverhangen wie der Himmel draußen. Als könne Hubert in mich hineinsehen, kommt er zu mir an den Tisch und setzt sich. Das Mitleid in seinem Blick hüllt mich in einen warmen, imaginären Mantel.
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Große Kleinigkeiten
Nahezu entsetzt starre ich auf Mones Hände, die die meinen halten. Wir sitzen in alter Tradition und wie sehr lange schon nicht mehr an einem Tisch in der Limobar, während Hubert so tut, als poliere er Gläser.
Zwei Dinge sprechen für Mones Verhalten. Die Pandemie samt Kontaktbeschränkungen ist längst vorbei. Und ich habe sehr schöne und weiche Hände. Zwei Dinge sprechen dagegen: Valentinstag ist auch vorbei und wir wollen ja nicht versehentlich noch Lesben werden.
Covidioten
Mone und ich betreten das kleine Geschäft des griechischen Gyros-Bauers unseres Vertrauens. Wir wollen in die Limobar, aber seit Corona stellt uns Hubert keine Salzstangen mehr auf den Tisch. Wir werden also Hunger bekommen und dem wollen wir vorbeugen.
Der Imbiss ist recht leer. In einer Ecke sitzt ein molliger Rentner und lutscht schweigend seine Pommes. Kostas und seine Frau bewegen sich geschäftig hinter der Theke, die durch Plexiglas vom restlichen Raum abgetrennt ist. Spuckschutz im großen Stil. Wir wissen, was wir wollen und bestellen. Dann warten wir. Vor uns hat eine Frau im besten Alter bestellt. Sie trägt ihre Maske unter der Nase, rückt sie alle zwei Minuten mit ihren Fingern auf ihrer Lippe hin und her. Sie hat eine ausgelutschte blonde Dauerwelle auf ihrem Kopf. Und „Dauerwelle“ ist nun auch ihr Thema, über das sie leider zu sprechen beginnt.
Gute Gründe gibt es nicht
Der Januar ist zur Hälfte rum und wie jedes Jahr sitze ich um diese Zeit Suza gegenüber und habe ihr eine – und immer dieselbe – Frage gestellt. Ich warte auf ihre Antwort und sehe dabei zu, wie Hubert die Weihnachtsdeko abhängt und durch Karnevalsgirlanden ersetzt. Den ein oder anderen Osterhasen stellt er auch schon einmal auf. Seine Begründung dafür: „Die Zeit rennt. Dieses Jahr will ich mich von ihr nicht überholen lassen!“
Suza holt einmal tief Luft und beginnt mit der Antwort meiner Frage, indem sie die Frage wiederholt, was jeder tut, der sich seiner Antwort noch nicht so ganz sicher ist:
„Warum ich das Dschungelcamp gucke?“
Endlich wieder Eier
Ich bin höchst empört. Mit schwungvoller Kraft stoße ich die Tür zur Limobar auf. Die drei Gäste, die in Ruhe den Tag und Feierabend genießen und friedlich an den Tischen vor ihren Getränken sitzen, bekommen einen Schreck und zwei von ihnen werfen sich spontan unter den Tisch, weil sie einen Amoklauf vermuten.
Suza dreht, recht entspannt, den Kopf und lächelt mich an. „Na?!“, fragt sie. Mir ist nicht nach „Na?!“ Ich knalle die Zeitung, die ich in der Hand habe, auf den Tisch und donnere los: „Suza! Wir hatten eine Vereinbarung! Wir wollten nicht mehr, dass das, was wir denken, reden und tun, in der Öffentlichkeit auftaucht! Das machen die Smartphones, intelligente Lautsprecher und was weiß ich was noch automatisch, wenn sie uns abhören! Und was machst du? Du veröffentlichst einen Artikel in der Zeitung! In der Zeitung!“ Ich lasse mich auf einen Stuhl fallen und sehe Suza an. Ich schüttle fassungslos den Kopf. „Und dann auch noch so einen Artikel. Der kann dich den Kragen kosten!“
„Quatsch“, erwidert Suza, „für so einen Artikel muss man Eier haben!“
Die anderen Gäste sehen neugierig zu den zwei Frauen hinüber. Ich bemerke das, greife die Zeitung und lese laut vor:
Die Welt ist gut!
„Der Mensch ist schlecht. Aber auch das ist nur in Teilen richtig. Wichtig ist doch, den Glauben und das Vertrauen in das Gute nicht zu verlieren.“ Dies sind meine Gedanken, als ich Richtung Limobar marschiere, um Suza zu treffen. Ich passiere ein junges Paar, ein Kind im Kinderwagen schiebend, was sich gerade über Nachtische unterhält. Die Welt ist gut! weiterlesen
Kindergarten der Kommunikation
Ende April und noch immer müssen wir uns in den miefigen Innenräumen der Kneipen verstecken, statt uns öffentlich in den Biergärten der Republik präsentieren zu dürfen.
Meine Laune ist mies als ich die Limobar betrete. Das Wetter, die Menschen, die Kommunikation … und Suza hat es mal wieder geschafft, mich noch vor 8 Uhr an diesem Morgen zur Weißglut gebracht zu haben.
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Eier
Suza sitzt in der Limobar und hält sich an der Tischdeko, einem kleinen Blumentöpfchen mit Narzisse, fest, als könne diese Blume sie wärmen. Es ist tatsächlich erstaunlich kalt in der Kneipe. Ich nehme an, Hubert hat die Heizung schon abgedreht, weil er das da draußen, so kurz vor Ostern, für Frühling hält. Als Suza mich sieht, springt sie auf und umarmt mich lange und herzlich. Ich traue dem Frieden nicht, so körperlich eng anhänglich ist sie eigentlich nicht. Ich frage sie: „Du wärmst dich an mir!?“
Sie grinst. Und nickt. Dann führt sie mich zum Stuhl, drückt mich auf ihn, setzt sich direkt neben mich und vergräbt ihre Hände in meiner Jackentasche: „Die Welt ist kalt“, sagt sie. Eier weiterlesen